Fundtierbetreuung
Der Gesetzgeber hat Kommunen dazu verpflichtet, Fundsachen (dazu gehören auch Tiere) aufzunehmen, ordnungsgemäß zu verwahren und dem Besitzer zurückzugeben. Wenn dieser sich nicht finden lässt, können Fundtiere unter Vorbehalt vermittelt werden. Zuständig für die Umsetzung des Gesetzes sind die Ordnungsämter - außerhalb der Dienstzeiten ist es die Polizei.
Es gibt in Deutschland aber so gut wie keine Kommunen mehr, die ein städtisches oder staatliches Tierheim betreiben. Dies hat wirtschaftliche Gründe.
Deshalb sind die Kommunen vom Gesetzgeber gehalten, Verträge mit Dritten – z.B. privaten Tierheimen - abzuschließen. Die Aufwendungen sollen von den Kommunen kostendeckend übernommen werden, denn es ist eine gewerbliche Dienstleistung zur Erfüllung kommunaler Pflichtaufgaben - und keine Tierschutzaufgabe.
Der Tierschutzdachverband empfiehlt den Tierheimen, Verträge mit einer Mindestpauschale nicht unter einem Euro pro Einwohner abzuschließen. Und es gibt Untersuchungen, dass Tierheime in ländlichen Gegenden wesentlich höhere Aufwendungen haben als in Städten - allein schon durch die großen Fahrstrecken.
In Belzig war die Kostendeckung nie gegeben. 2007 stand das Tierheim Verlorenwasser deshalb vor dem finanziellen Aus und hätte geschlossen werden müssen. Unser Verein übernahm das Tierheim damals mitsamt den Schulden und allen Tieren.
Wir arbeiteten hart an allen Fronten (Gesundheit der Tiere, Futterbeschaffung, Einstellung von qualifizierten Mitarbeitern, Reparatur vieler kaputter Anlagen und Geräte, Schuldenabbau ....).
Und wir nahmen Fundtiere auf. Einige Kommunen gaben uns Verträge. Die in den Medien genannten Kommunen Belzig, Treuenbrietzen und Wiesenburg gaben uns keine. Man wollte erst einmal sehen, wie wir arbeiten, wurde uns gesagt. Wir taten unser Bestes und leisteten sehr zuverlässig einen 24-Stunden-Dienst 365 Tage im Jahr. Es gab unseres Wissens keine einzige Beschwerde.
Und obwohl wir etwas mehr Geld bekamen als der Belziger Tierschutzverein zuvor, ging unsere Kalkulation nicht auf.
Es gab außerdem ein zweites Problem. Wir erhielten bei den meisten Kommunen keine Einwohner-Pauschale sondern mussten pro Einzelfall abrechnen. Die Kommunen behielten sich vor, welche Tiere wir aufnehmen durften. Aus Potsdam kannten wir es anders. Da wurde jedes gefundene Tier im Tierheim aufgenommen und niemand diskutierte bei der Stadtverwaltung darüber, ob es ein Fundtier war.
Dagegen kam es in unserem Einzugsgebiet zu der absurden Situation, dass wir zur Kostenersparnis der Kommunen Bürger mit Fundtieren nach Hause schicken sollten. Katzen (wir sprechen von erkennbar gepflegten und verschmusten Haustieren – nicht von verwilderten Straßenkatzen) waren fast nie Fundtiere – nach Ansicht manch zuständigen Sachbearbeiters.
Einer der brutalsten Fälle für uns: Die Finderin einer schwer verletzten Katze an einer Bushaltestelle wurde aufgefordert, das Tier wieder dahinzubringen, wo sie es her hatte. Das Tier würde schon wieder nach Hause finden, sagte man ihr. Auf den Einwand der Bürgerin, die Katze sei schwer verletzt und könne nicht laufen, sagte die damalige Ordnungsamtsleiterin: Na wenn die Katze wirklich nicht laufen kann, dann liegt sie ja morgen immer noch da und Sie können Sie immer noch ins Tierheim bringen.
Solche Situationen erlebten wir ständig. Wir nahmen alle Tiere auf – auch die von den Behörden abgewiesenen, versorgten sie komplett auf unsere Kosten. Doch wir waren es leid und kündigten die meisten Verträge in 2008.
Schweren Herzens mussten wir 2010 auch der Kommune Schwielowsee kündigen. Dies fiel uns sehr schwer, denn diese Zusammenarbeit war sehr erfreulich verlaufen. Die Verantwortlichen fühlten sich wirklich verantwortlich. Dort war ein verletzter Graureiher ebenso anerkannt wie eine schwangere Dorfkatze oder ein Schwan, der sich in eine Garage verirrt hatte. Und obwohl Wildtiere ebenso wie verwilderte Hauskatzen in der Tat nicht als Fundtiere in die Zuständigkeit eines Ordnungsamtes fallen: in Schwielowee kümmerte man sich um jedes Tier – es gab keine Diskussionen darum. Unsere Tierschützer-Herzen fühlten sich wohl. Doch für eine Gemeinde allein konnten und wollten wir keinen 24-Stunden-Dienst leisten, obwohl uns Schwielowsee sogar mehr Geld bot.
An der Situation in Potsdam-Mittelmark insgesamt hat sich jedoch bis heute nicht viel geändert. Seit Jahren stehen Bürger bei uns am Tor oder rufen verzweifelt an, weil sie von den Behörden abgewiesen werden.
Viele Beispiele könnten wir nennen:
- Ein Ziegenbock irrte durch den Ort. Die Dorfbewohner suchten den Besitzer, fanden ihn nicht. Das Ordnungsamt erklärte sich für nicht zuständig.
- Ein Hund war über einen Zaun geworfen worden, das Amt erklärte, da er in einem Privatgarten gefunden worden sei, ginge es das Amt nichts an.
- Eine Katze war auf einer Wiese in einem Tellereisen gefangen – eine Straftat – die Behörden erklärten sich nicht zuständig.
- Ein Hund irrte umher, der angerufene Beamte meinte, er könne den Hund nicht aufnehmen, es gäbe keine Leine im Büro.
Die Liste wird – leider – ständig länger.
Nicht nur aus Potsdam Mittelmark, sondern aus ganz Brandenburg, selbst aus Sachsen und Sachsen-Anhalt kommen Bürger mit Fundtieren zu uns, die in ihren Behörden und Tierheimen abgewiesen wurden. Wir haben sie klaglos aufgenommen, keinen abgewiesen. Das scheint sich herumgesprochen zu haben, denn mehrere Bürger berichteten uns, dass man ihnen im Amt geraten hätte: "Fahr'n Sie mal nach Verlorenwasser, da werden Sie das Viech los".
Auch ausgesetzte Tiere sind ein Problem für uns. Oft kommen Mitarbeiter oder Besucher aufgeregt zur Tür herein und melden uns, dass schon wieder etwas am Tor angebunden ist: Hunde mit und ohne Text, körbeweise Katzen, kartonweise Mäuse, Kisten mit Kaninchen ...
Für ausgesetzte Tiere sind die Veterinärämter zuständig. Wir hätten es uns einfach machen können: Amtstierarzt anrufen und abholen lassen, denn als private Einrichtung sind wir nicht verpflichtet, derartige „Geschenke" anzunehmen. Aber auch hier haben wir nie geklagt, keine Kampagnen daraus gemacht, sondern einfach die Tiere reingeholt, uns auf treue Spender verlassen und den Tieren ein artgerechtes Leben gesichert.
Allein im vergangenen Jahr waren es an die 100 Tiere bei uns, die eigentlich als Fundtiere oder ausgesetzte Tiere durch die Ämter hätten versorgt werden müssen.
Zusätzlich haben wir über 100 Straßenkatzen vorübergehend aufgenommen und kastrieren lassen.
Und das neben unserem eigentlichen Engagement: wir haben die Tiere vieler Menschen aufgenommen, die durch Scheidung, finanzielle Not, Krankheit, Umzug, Arbeitsänderung usw. ihre Tiere nicht mehr behalten konnten oder wollten.
Auch anderen Tierheimen, Gnadenhöfen oder Auffangstationen, die selbst nicht mehr klar kamen, haben wir stets geholfen, ohne darüber ein Wort zu verlieren.